Die Jaufenfai (Jaufenfee)
Unter dem Jaufenjoch, einem über siebentausend Fuß hohen Berg in Passeier, wohnte einst eine Fai. Diese verliebte sich in einen jungen Ritter von der Jaufenburg, die am Fuße des genannten Berges liegt und einst der Sitz der Herren von Passeier war. Sei es aber, dass das Herz des jungen Ritters nicht mehr frei war, oder dass die Minne eines Elementargeistes ihm Grauen erregte, er wollte jedenfalls nichts von dieser Liebe wissen. Die arme Fai wurde darüber zu Tode betrübt, verwandelte ihre Gestalt in die einer Bettlerin, schlich trüb und kummervoll umher und um die Wege, die der Ritter gewöhnlich zog. Einmal verbarg sie sich auch in der Hütte eines Kalkbrenners, bei welchem der Ritter gern sein Ross anhielt, da derselbe Mann einmal sein Knappe gewesen war.
Als dies nun eines Tages wieder geschah und der Ritter nach einem Krug Wasser verlangte, brachte das ihm die verwandelte Fai und ließ dabei eine Perle in das kühle Nass des Bechers gleiten. Während der Ritter trank, verwandelte sich die Fai in ihre wahre Gestalt, und jetzt erschien sie ihm wunderschön. Die Perle hatte die Flut gefeit, dass sie ihm durch Herz und Adern wie siedendes Feuer brannte und ihn voller Liebesglut entflammte. Die schöne Frau, welche vor ihm stand, schien ihm höchst begehrenswert. Er umfasste sie, hob sie auf sein Ross und galoppierte mit ihr von dannen, der Jaufenburg zu. Allein es ereignete sich gar Wunderbares! Seine holdselige Beute schwand ihm aus dem Arme, er wusste nicht wie und wohin sie kam. Er ritt und ritt, und erreichte nimmer sein Schloss; das Ross brach todmüde gehetzt unter ihm zusammen und starb. Der Ritter suchte nun zu Fuß seine Heimat und fand sie nimmer. Er war in einem gänzlich fremden Lande, kannte niemanden und niemand kannte ihn. Er musste seine reiche Tracht verkaufen und mit einer geringeren vorlieb nehmen, um zu überleben. Zuletzt zog er als Bettler durchs Land. Arm, elend, schwach und krank erreichte der Ritter endlich eines abends die Wohnung des Schmieds im Kalmtale, wo er halbtot vor Mattigkeit und Hunger auf einen Haufen Stroh niedersank.
Jetzt beendete die Jaufenfai die harte Buße für ihre erste Verschmähung und sie erschien ihm wieder in ihrer Huld und Lieblichkeit. Da waren wieder schöne Kleider für ihn und das Ross war nicht tot, sondern lebendig und alles, was ihm Hartes wiederfahren war und ihm so ewig lang gedünkt hatte, war nur ein böser Traum gewesen. Er führte nun freudig seine Fai zur Jaufenburg, verband sich mit ihr für immer und lebte glücklich und gesegnet. Doch blieb die Ehe ohne männliche Liebeserben, denn nach seinem Ableben verschwand die Fai und die Jaufenburg ging durch Heirat an das Geschlecht der Herren von Fuchs, denen auch der Sandhof zugehörte, über. Später kam das stattliche Haus in bäuerlichen Besitz und verfiel zusehends.
(Nach Johann Nepomuk von Alpenburg)
Quelle: „MuseumPasseier“