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Die Jaufenburg Schlange

Die Jaufenburg Schlange

An einem Sommertag arbeitete ein armer Taglöhner in der Nähe der Jaufenburg-Ruine und vergaß nach Feierabend auf einem Holzstapel seine Lodenjacke. Erst daheim erinnerte er sich daran und schickte seine älteste Tochter, um die Jacke zu holen. Das Mädchen fand zwar das Kleidungsstück des Vaters, auf der Jacke lag aber eine große, rotgesprenkelte Schlange, die sogleich zu sprechen begann: „Mein Kind, hab‘ mich lieb, dann gebe ich dir gerne die Jacke!“ An allen Gliedern zitternd kam das Mädchen heim und erzählte sein Erlebnis. Der Vater schimpfte das Mädchen wegen seiner Zaghaftigkeit und schickte die zweite Tochter um die Jacke. Aber auch dieser ging es nicht anders, sie kehrte schreckensbleich heim und berichtete wieder von den Worten der unheimlichen Schlange. Erst die jüngste Tochter, die Rosi, fasste sich ein Herz und antwortete auf die Rede der Schlange: „Ich hab‘ dich von Herzen gern, wenn du mir nur des Vaters Lodenjacke gibst.“ Die Schlange erwiderte: „Ich danke dir, bald werde ich dir nachkommen!“ gab die Jacke frei und kroch in das nahe Gebüsch.

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Als Rosi mit der Jacke heim gekommen war, verschloss und verriegelte der Vater zur Abwehr des Schlangenbesuches alle Türen und begab sich beruhigt mit den Seinen zur Ruhe. Plötzlich dröhnte heftiges Poltern und Klopfen ans Haustor. Die Bewohner wagten kaum zu atmen, als eine Stimme erschall: „Ruf jetzt siebenmal laut: Schlauche dich, Wurm, schlauche dich!“ Die Rosi nahm allen Mut zusammen und rief diese Worte siebenmal nacheinander. Da hallte ein Donnerschlag, die Haustür sprang auf, ein prächtiger Ritter trat ein, küsste der Rosi in feurigem Dank für seine Erlösung die Hand und nahm das Mädchen als Braut mit zur Jaufenburg. Die Ruinen waren in ein stattliches Schloss mit Türmen und Zinnen verwandelt. Der Ritter geleitete das Mädchen dreimal um die Burg, dann betraten beide das Schloss und durchschritten eine Reihe der schönsten Zimmer.

Zuletzt führte der Ritter die Rosi durch einen engen, dunklen Gang in eine finstere Höhle, die von scheußlichen Kröten wimmelte und aus dem Hintergrund knurrte ein riesiger Hund mit feuersprühenden Augen. Eine der Kröten rief mit klagender Stimme:

„Der große Wurf ist dir gelungen,
und rettest du uns aus der Not,
bevor die Geisterstunde kommt,
hast du das beste Los errungen.“

Schon wollte das mitleidige Mädchen die Kröten durch Küsse erlösen, da schüttelte es der Ekel derart, dass es nicht imstande war, die Tiere anzugreifen. Dreimal versuchte die gute Rosi das Rettungswerk, und dreimal zuckte sie im entschei­denden Augenblick wieder zurück. Da schlug die Turmuhr von St. Leonhard zwölf: Ein Windstoß löschte alle Lichter. Aus der Tiefe der Höhle erschallte lautes Jammern und als Rosi in der Morgendämmerung wie aus einem Traum erwachte, saß sie mutterseelenallein auf den Ruinen der Jaufenburg.

(Nach Ignaz Zingerle)
Quelle: „MuseumPasseier“